Warum der EMBA-Alumnus auf Zusammenarbeit, Technologie und die Eigenschaften von Kelp setzt
Der Wettlauf gegen die Plastikflut
Die Vereinten Nationen sprechen längst von einer „Plastikkrise“ und warnten erst im Juni dieses Jahres erneut vor den globalen Folgen. Umweltverschmutzung durch Plastik ist kein neues Thema, doch die Gefahr wächst stetig. Mikroplastik findet sich inzwischen in Lebensmitteln, im Trinkwasser und sogar in der Luft. Bis 2040 dürfte sich die Belastung von Meeres- und Binnengewässern verdreifachen (UN, 2025).
Ein besonders drastisches Sinnbild dieser Krise ist der Great Pacific Garbage Patch – ein riesiger, laufend wachsender Müllstrudel im Pazifik, der das Ausmaß des menschlichen Einflusses sichtbar macht. Sein Anblick wurde für EMBA-Alumnus Jürgen Roider 2018 zum Auslöser, das Ocean Robotics Project zu gründen: „Ich segelte damals an einsamen Inseln in der Karibik vorbei und war schockiert, auf wie viel Müll wir dabei stießen. Es war erschütternd, an einem so traumhaft schönen Ort zu sein und weit und breit nur Müll und Plastik zu sehen.“
Beginn einer weltweiten Bewegung
Aus dem anfänglichen Gefühl der Ohnmacht wurde schnell Tatendrang. Roider suchte nach Wegen, die Meere vom Müll zu befreien. „Nur 0,5 % des Plastikmülls schwimmt an der Wasseroberfläche“, erklärt er. „Der Großteil treibt in den Tiefen der Ozeane. Um dort mit der Reinigung anzufangen, hätten wir rund 800 U-Boote gebraucht – das war unrealistisch und viel zu teuer. Also konzentrierten wir uns stattdessen auf das, was machbar war.“
Roider und sein Team begannen, eine weltweite Community aufzubauen und Mitstreiter:innen zu finden, die sich ebenso leidenschaftlich für die Umwelt engagieren wie er. Der Fokus lag zunächst auf Flüssen und Mündungsgebieten – dort, wo das Plastik in größere Ökosysteme gespült wird. Die ersten Projekte waren lokale Umweltinitiativen unter dem Einsatz von Robotern und Drohnen in Kuba, Südafrika und Indien, bevor sich die Arbeit auf größere Lösungsansätze ausweitete, etwa die Offshore-Aquakultur und CO₂-Bindung in Afrika und Australien. Internationale Abkommen mit Staaten und Partnerschaften mit lokalen Nichtregierungsorganisationen (NROs) sind für Roider unerlässlich: „Es ist wichtig, so viele Menschen wie möglich einzubeziehen. Die Ozeane zu säubern ist eine Aufgabe für die Menschheit, nicht für ein einzelnes Unternehmen.“
Nachhaltige Innovation
Jürgen Roider ist Seriengründer aus Überzeugung. Das Ocean Robotics Project ist sein fünftes Unternehmen. „Unternehmertum bedeutet für mich die Freiheit, meine eigenen Ideen zu verwirklichen. Ich bin immer auf der Suche nach komplexen Problemen – von Plastikmüll bis Klimawandel –, die andere für unlösbar halten. Genau das treibt mich an.“
Das Ocean Robotics Project verkörpert diese Einstellung. Es befreit nicht nur Gewässer von Plastik, sondern schafft auch Arbeitsplätze und fördert eine nachhaltige Lebensweise. Entlang der Küsten Namibias und Südafrikas entstehen derzeit Kelp-Farmen, für deren Pflege und Ernte lokale Arbeitskräfte gebraucht werden. Das Projekt eröffnet den Menschen vor Ort neue Perspektiven. „Die Arbeit lässt sich in nur wenigen Tagen erlernen“, sagt Roider. „Die Menschen bekommen nicht nur ein Gehalt, sondern eine echte Lebensgrundlage.“
Diese Denkweise wurde entscheidend durch das EMBA Programm geprägt, wie Roider erklärt: „Kellogg-WHU hat maßgeblich dazu beigetragen, dass ich Unternehmer geworden bin. Eine besondere Rolle hat dabei der frühere WHU-Professor Peter Witt gespielt, der uns geraten hat, uns nicht auf die Dienstleistung, sondern das Produkt zu konzentrieren. Der Markt gibt die Richtung vor. Die praktischen Werkzeuge, zum Beispiel wie man eine gute Präsentation hält oder eine Idee in zwei Minuten greifbar erklärt, sind mindestens so wichtig wie die Theorie.“
Kontinuierliche Weiterentwicklung
Mit seinen Projekten in Afrika, Australien und Indien verfolgt das Ocean Robotics Project eine klare Mission: die weltweiten Gewässer von Plastikmüll befreien und die Wasserqualität verbessern. Derzeit entstehen riesige Kelp-Wälder, die Mikroplastik aus den Ozeanen filtern.
„Unser Pilotprojekt in Namibia wird ab 2026 rund 100.000 Tonnen CO₂ pro Jahr binden“, sagt Roider. „Für die erste Phase planen wir, allein in Namibia 50 Millionen Kelp-Bäume zu pflanzen.“ Die Braunalge lässt sich zu Biokohle verarbeiten – ein organischer Rohstoff, der als nachhaltige Energiequelle sowie als Dünger für den Lebensmittelanbau der Gemeinden vor Ort dient.
„Unsere langfristige Vision ist ein Kelp-Gürtel rund um die Antarktis mit einer Milliarde Pflanzen vor der Küste. Sobald der Seetang seine maximale Länge von etwa 45 Metern erreicht hat, wird er von den Farmstrukturen gelöst und zur langfristigen Speicherung von CO₂ in rund 3.000 Metern Tiefe versenkt. Drohnen besetzen die abgeernteten Stellen kontinuierlich mit jungen Pflanzen nach und der gesamte Zyklus beginnt von vorn. Ein Nebeneffekt: Mikroplastikpartikel, die an der Oberfläche des Seetangs haften bleiben, könnten größtenteils aus dem Wasser herausgefiltert werden.“
Das Ocean Robotics Project entwickelt sich kontinuierlich weiter und treibt den Kampf gegen Umweltverschmutzung und Klimawandel auf vielen Ebenen weiter voran. Ein Fokus liegt beispielsweise auf der Meerwasserentsalzung mit dem Ziel, möglichst energieeffizient sauberes Trinkwasser aufzubereiten. Weitere Umweltprojekte sind in Planung, unter anderem auf den Philippinen und der Arabischen Halbinsel. Das Ocean Robotics Project steht erst am Anfang und es gibt noch viel zu tun. Doch Roider ist optimistisch: „Ich kenne mittlerweile so viele Menschen auf der ganzen Welt, die verzweifelt nach Lösungen suchen, um unseren Planeten zu retten. Das macht mir Hoffnung, dass wir es schaffen werden.“
