WHU-Student Simon Schünemann über die Stärkung anderer durch Mentoring und das Vermitteln des Gefühls, dazu zu gehören.
Wie hilft Project Access den Bewerbern bei der Bewerbung an Universitäten und der Stärkung ihres Selbstvertrauens?
Project Access bietet kostenloses Mentoring durch Studierende, die kürzlich denselben Bewerbungsprozess an den Universitäten durchlaufen haben, an denen sich unsere Mentees nun bewerben. Diese Unterstützung ist besonders wirksam, da sie fachliches Wissen und persönliche Betreuung miteinander verbindet.
Mentoren helfen bei der Auswahl der richtigen Universität, beim Verständnis der Zulassungskriterien, beim Verfassen von Motivationsschreiben, bei der Beantragung von Finanzierungsunterstützung und bei der Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche. Über das Mentoring hinaus bieten wir Bootcamps, Webinare und ein wachsendes Archiv mit Video- und schriftlichen Bewerbungsinformationen an. Unsere Mentees erhalten Zugang zu maßgeschneiderten Materialien, die komplexe Bewerbungsverfahren Schritt für Schritt erklären.
Ein großer Teil unserer Arbeit mit den Mentees liegt darin, sie zu ermutigen und ihnen zu sagen, dass sie diese Herausforderung meistern können. Besonders wenn ein Mentee aus einem Nicht-Akademikerumfeld kommt, wirkt die Bewerbungshürde riesig. Wenn dann jemand sagt: „Ich habe mich letztes Jahr beworben und hätte auch nicht gedacht, dass ich genommen werde. Aber es hat funktioniert, und so habe ich es geschafft“, verwandelt man vage Hoffnung in eine reale, greifbare Möglichkeit. Das nötige Selbstvertrauen entsteht nicht aus leerer Motivation. Es entsteht, wenn man einen klaren Weg vor sich sieht und weiß, dass man ihn nicht allein gehen muss.
Was hat dich dazu inspiriert, Teil der Organisation zu werden?
Ich war selbst Mentee in diesem Programm. Ich war auf einer kleinen Dorfschule, an der sich noch nie ein Schüler an einer internationalen Universität beworben hatte. Deshalb hatte ich nie daran gedacht, mich an „Target-Universitäten”, insbesondere im Ausland, zu bewerben - bis ich auf Project Access stieß. Über das Programm wurde mir ein Mentor zugewiesen, der in Cambridge studiert hatte und mich bei jedem Schritt des Prozesses begleitete. Diese Erfahrung hat mir nicht nur bei meiner Bewerbung geholfen, sondern auch meine komplette Sichtweise auf das verändert, was für mich überhaupt möglich ist. Nicht nur in meiner Bildung, sondern auch in anderen Bereichen meines Lebens. Project Access gibt mir die Möglichkeit, die Hilfe, die ich erhalten habe, weiterzugeben und jungen Menschen, wie mir damals, zu helfen.
Was ist deine Rolle bei Project Access? Wie sieht dein Alltag aus?
Ich bin derzeit COO (Chief Operating Officer) bei Project Access. In dieser Funktion betreue ich die weltweiten Programme mit etwa 2.700 Ehrenamtlichen in drei Bereichen: Mentoren-Outreach, Mentee-Outreach und den Mentorenprogrammen. Dazu gehört die Steuerung unserer internen Systeme, die Unterstützung lokaler Teams, die Entwicklung von Förderungsprogrammen und die Sicherstellung, dass unsere Mentoring-Prozesse effizient und qualitativ hochwertig sind. Meine Hauptaufgabe besteht darin, meine Teamleiter so gut wie möglich zu unterstützen, um ihnen und allen anderen Ehrenamtlichen die Arbeit so einfach wie möglich zu machen, damit sie sich frei entfalten können und Spaß haben.
Was sind die größten Herausforderungen oder Hindernisse, denen Schüler:innen aus Nicht-Akademiker Familien beim Zugang zu Bildung gegenüberstehen?
Es handelt sich selten nur um eine einzige Herausforderung. Finanzielle Einschränkungen spielen eine Rolle, aber oft sind die entscheidenden Probleme unsichtbar: Zugang zu verlässlichen Informationen, fehlende Ansprechpersonen und ein anhaltendes Gefühl, nicht dazuzugehören. Wenn man noch nie jemanden getroffen hat, der sich an einer Top-Universität beworben hat, geschweige denn dort zugelassen wurde, fällt es schwer, sich selbst dort zu sehen. Und selbst wenn man das tut, ist es schwierig zu wissen, wie und wo man anfangen soll.
Das Bewerbungsverfahren kann einschüchternd wirken aufgrund verwirrender Prozesse, unklarer Anforderungen und unausgesprochener kultureller Regeln, die manchen Schüler:innen nie vermittelt wurden. Aber neben der technischen Seite haben diese Hindernisse auch eine psychologische Dimension. Viele Schüler:innen verinnerlichen, dass bestimmte Bereiche „nichts für Menschen wie sie“ sind. Sie zweifeln an ihren Fähigkeiten, spielen ihre Leistungen herunter und geben auf, bevor sie es überhaupt versucht haben, einfach weil ihnen niemand gesagt hat, dass sie es schaffen können.
Wenn du die oder der Erste in deiner Familie oder deinem Umfeld bist, der diesen Weg in Betracht zieht, gibt es oft niemanden, der dich dabei begleitet. Diese Hindernisse – einige äußerlich, andere innerlich – bauen sich auf. Und wenn niemand eingreift, um diesen Kreislauf zu durchbrechen, bleibt er oft bestehen.
Warum hast du dich für ein Studium an einer privaten Wirtschaftshochschule entschieden?
Da ich weder aus einem akademischen oder wirtschaftlichen Umfeld komme, haben mich die Strukturen und Förderungsmöglichkeiten privater Universitäten sehr angesprochen. Ich wollte eine Universität, an der akademisches Lernen eng mit praktischer Erfahrung verbunden ist und ich mit Kommilitonen studieren kann, die die Extrameile gehen und etwas kreieren wollen, was größer ist als sie selbst.
Warum hast du dich ausgerechnet für die WHU entschieden?
Die WHU hat mich durch ihre Kombination aus Exzellenz und Energie überzeugt. Es ist eine international anerkannte Hochschule mit hohen akademischen Standards. Außerdem fördert sie eine Kultur, in der Eigeninitiative aktiv unterstützt wird. Ich hatte das Gefühl, dass die WHU mich herausfordern und mir den Raum geben würde, mich einzubringen – etwas Neues zu beginnen, zu führen oder mit Gleichgesinnten an bedeutungsvollen Projekten zusammenzuarbeiten. Diese Kombination ist selten.
Wie profitiert eine vielfältige Studierendenschaft von Einrichtungen wie der WHU?
Vielfältige Perspektiven führen zu besseren Diskussionen, innovativem Denken und entschlossener Führung. Alle profitieren davon, wenn Studierende mit unterschiedlichem sozialwirtschaftlichem, kulturellem und bildungsbezogenem Hintergrund zusammenkommen. Die Wirtschaft wird immer globaler und komplexer, und Lehrsäle sollten dies widerspiegeln. Die WHU ist bereits in vielerlei Hinsicht ein Ort der Vielfalt, und wenn wir auf dieser Grundlage weiter aufbauen, stärken wir unsere Gemeinschaft und unseren Einfluss.
Es ist schwer, an der WHU angenommen zu werden. Aber es besteht ein Unterschied zwischen jemandem, der sich von einer Privatschule in München aus beworben und zwei Geschwister hat, die bereits an der WHU studiert haben, und jemandem, der in einer ländlichen Gegend Afrikas oder Asiens aufgewachsen ist, aus der noch nie jemand eine Universität besucht hat. Das Potenzial mag dasselbe sein, die Arbeitsmoral mag dieselbe sein, aber die Hürden sind sicherlich nicht dieselben.
Dieser Unterschied untergräbt das, was wir an der WHU eigentlich am meisten schätzen: das Leistungsprinzip. Die Überzeugung, dass man durch Disziplin, Durchhaltevermögen und Leistung überzeugen kann. Und dafür auch belohnt wird. Das Risiko dieses Systems und des Wettbewerbsgedankens besteht darin, dass es nur funktioniert, wenn der Wettbewerb fair ist. Man kann nicht stolz darauf sein, einen 100-Meter-Lauf schneller absolviert zu haben als der Gegner, der 250 Meter laufen musste. Daher denke ich, dass die WHU nicht nur von einer vielfältigen Studierendenschaft aufgrund unterschiedlicher Perspektiven und Erfahrungen profitiert, sondern auch die Verantwortung hat, gleiche Wettbewerbsbedingungen im Bewerbungsprozess zu schaffen, um die Grundlage des Leistungsprinzips und der WHU-Kultur aufrechtzuerhalten: nämlich fairen Wettbewerb.
Wie können andere Leute aus der WHU-Community (oder darüber hinaus) diese Sache unterstützen?
Es gibt viele Möglichkeiten, sich zu engagieren, sei es als Student, Berufstätiger, Unternehmen oder sonstige Organisation.
Studierende können sich als Mentoren einbringen und eine/n unterrepräsentierten Bewerber:in 2–3 Stunden pro Monat bei ihrer/seiner Bewerbung an deren Wunsch-Universität unterstützen.
Andere können Access Fellows werden und als Botschafter:in an ihren ehemaligen Schulen tätig sein, um Schüler:innen zu informieren und zu inspirieren. Dies nimmt in der Regel 1–2 Stunden pro Monat in Anspruch, kann aber eine nachhaltige Wirkung haben.
Wenn du keine Zeit findest, hilft auch eine kleine Spende. Mit nur 3 € (d. h. ein Kaffee auf dem Weg zur Arbeit) können wir einen weiteren Mentee mit persönlicher, hochwertiger Betreuung unterstützen, die ihr/sein Leben verändern kann.
Weitere Informationen findest du auf unserer Website, wo du auch direkt spenden kannst: https://projectaccess.org/
Abschließend sind wir sehr daran interessiert, mit Menschen in Kontakt zu kommen, die an einer Partnerschaft zur Förderung unserer Mentees interessiert sind. Dabei kann es sich um Unternehmer, Aktivisten oder auch Personen aus den Medien oder dem NGO-Sektor handeln. Solche Partnerschaften tragen dazu bei, die Programme auszuweiten und den Mehrwert für die Mentees zu vergrößern. Aktuell suchen wir aktiv nach solchen Kooperationen und freuen uns über jeden Hinweis oder jede Nachricht dazu.
Weitere Informationen finden sich auf unserer Website oder via simon.schuenemann(at)projectaccess.org.