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22.10.2025

Fünf Fragen an Onuava

„Wir wollen das Thema reproduktive Gesundheit aus der Tabuzone holen“

Kinderwunsch, Wechseljahre oder Männergesundheit – Themen wie diese sind für Mitarbeitende wie Vorgesetzte in den meisten deutschen Unternehmen noch immer ein Tabu. Julia Reichert (Diplom 2004), Gründerin von Onuava, möchte das ändern. Die WHU-Alumna hat ein Start-up gegründet, das Firmen dabei unterstützt, ihre Mitarbeitenden in gesundheitlich und psychisch sensiblen Lebensphasen besser zu begleiten. Im Gespräch erzählt sie, wie sie von der Unternehmensberaterin zur Gründerin wurde, wie Onuava funktioniert – und warum ihr das Thema reproduktive Gesundheit so am Herzen liegt.

Julia, wie kam es dazu, dass du Onuava gegründet hast?

Die Idee ist aus meiner eigenen Geschichte entstanden. Nach meinem Abschluss an der WHU habe ich zuerst als Unternehmensberaterin bei der Boston Consulting Group (BCG) gearbeitet, erst in Frankfurt, dann in London. Dort habe ich dann drei Kinder durch Kinderwunschbehandlungen bekommen. Diese Erfahrung hat mich sehr geprägt – ich weiß, wie emotional, belastend und gleichzeitig, wie wenig sichtbar dieses Thema ist. Als ich 2020 nach Deutschland zurückkam, habe ich mich bewusst gefragt: „Was will ich mit meinem Leben eigentlich machen?“ Ich war gerade 40 geworden und habe gespürt: Wenn ich jetzt nicht gründe, dann wahrscheinlich nie mehr. Nach einer strukturierten Ideensuche war schnell klar: Menschen mit Kinderwunsch und später auch in anderen Lebensphasen gesundheitlich zu unterstützen, ist mein Herzensthema. So habe ich 2022 Onuava gegründet – mit der Mission, reproduktive Gesundheit für alle zugänglich zu machen. 2023 kam dann Katharina Jung dazu. Sie hat viel Erfahrung aus der Start-up-Welt mitgebracht und so haben wir gemeinsam die Vision „Reproductive Health Care for Everyone“ auf den Weg gebracht.

Was genau macht ihr heute mit Onuava?

Mit Onuava wollen wir das Thema reproduktive Gesundheit aus der Tabuzone holen. Unser Herzstück ist eine digitale Plattform, auf die Mitarbeitende von Unternehmen unkompliziert zugreifen können. Dort finden sie Informationen zu Themen wie Fruchtbarkeit, Schwangerschaft, Kinderwunschbehandlung, Endometriose, Wechseljahre oder Männergesundheit. Es gibt Live-Sessions mit Ärzt:innen sowie die Möglichkeit zu individuellen Beratungen, etwa mit Gynäkolog:innen, Endokrinolog:innen, Psycholog:innen, Hebammen oder Ernährungsberater:innen. Der erste Kontakt mit den Firmen entsteht häufig über Vorträge, die wir dort halten, zum Beispiel im Rahmen von Gesundheitstagen. Ganz neu ist aktuell unsere betriebliche Krankenversicherung für Kinderwunschbehandlungen – die erste ihrer Art in Europa. Damit können Unternehmen ihre Mitarbeitenden auch finanziell beim Thema Kinderwunsch unterstützen, und das anonym und steuerlich optimiert. Zudem helfen wir Firmen dabei, klare Richtlinien zu formulieren, etwa zu Kinderwunsch- oder Menopause-Policies. Diese enthalten klare Regelungen, zum Beispiel zu Freistellungen nach einer Fehlgeburt oder für Kinderwunschbehandlungen etc. So entsteht Schritt für Schritt eine offenere Unternehmenskultur in Bezug auf diese noch vielfach tabuisierten Themen.

Welche Unternehmen nutzen Onuava schon?

Von Mittelständlern bis hin zu DAX-Konzernen ist alles dabei. Besonders aktiv sind gerade die Pharma- und die Finanzbranche sowie Unternehmensberatungen – das liegt zum einen daran, dass internationale Mitarbeitende solche Benefits oft schon aus den USA oder Großbritannien kennen. Zum anderen haben diese Branchen eine besondere Nähe zu Gesundheitsthemen und auch die entsprechenden finanziellen Ressourcen. Auch im Mittelstand sehen wir wachsendes Interesse. Manche Unternehmen starten mit einem Vortrag, andere gehen direkt mit der Plattform und Beratungsangeboten live. Durch die neue Versicherungslösung haben wir noch einmal eine ganz andere Reichweite – weil wir damit ein strukturiertes, langfristiges Benefit-Paket anbieten können.

Du hast 2004 dein Diplom an der WHU gemacht. Hat die Hochschule deine Gründung beeinflusst?

Als ich 2004 mein Diplom gemacht habe, war Gründen an der WHU noch nicht so stark im Fokus wie dies heute der Fall ist. Viele Absolvent:innen sind nach ihrem Abschluss in die Beratung oder ins Investmentbanking eingestiegen. Trotzdem hat mich die Zeit an der Hochschule geprägt. Zum einen durch das Netzwerk, das bis heute trägt: In fast jedem Unternehmen, mit dem ich heute spreche, kenne ich jemanden über die WHU oder BCG. Das hilft enorm, wenn es um B2B-Sales und erste Kontakte geht. Zum anderen war und ist es inspirierend, zu sehen, wie viele WHU-Alumni erfolgreiche Start-ups aufgebaut haben. Das inspiriert natürlich und man hat auch immer jemanden im WHU-Netzwerk, den man bei Bedarf um Rat fragen kann. Diese Mischung aus Inspiration, Vorbildern und einem starken Netzwerk war für mich sehr wertvoll – auch wenn der eigentliche Gründungsimpuls aus meiner persönlichen Geschichte kam.

Wage einen Blick in die Glaskugel: Wo wird Onuava in fünf bis zehn Jahren stehen?

Wir haben ein klares Ziel: Onuava soll der führende Anbieter für Reproductive Health Benefits in Europa werden. Konkret bedeutet das: Wir wollen unsere Versicherungslösung im deutschen Markt fest etablieren und gleichzeitig die Expansion in Europa vorantreiben. Unsere Plattform ist heute schon auf Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch verfügbar, sodass wir technisch bereit für den europäischen Roll-out sind. Langfristig möchten wir, dass Themen wie Kinderwunsch, Fehlgeburten, Menopause oder Männergesundheit in Unternehmen genauso selbstverständlich adressiert werden wie Rückengesundheit oder Mental Health. Denn diese Themen betreffen viele – sie gehören ins Gespräch, nicht in die Tabuzone. 

Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg.

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Fotos: FotoAgenten, Heidelberg

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