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14.08.2025

Fünf Fragen an Cherry Ventures

Von Gründer zu Gründer: VC-Fonds von WHU-Alumni hilft anderen Start-ups beim Durchstarten

Die Erfolgsbilanz der Gründenden der WHU – Otto Beisheim School of Management ist beeindruckend: Unter den zahlreichen erfolgreichen Start-ups mit WHU-Beteiligung befinden sich sogar DAX-Unternehmen wie Zalando. Am Aufbau des Berliner Online-Modehändlers waren Filip Dames (D 2008) und Christian Meermann (D 2007) als Teil des Gründungsteams beteiligt. Filip verantwortete die Zalando-Lounge, die Internationalisierung und den Bereich Produkt. Christian leitete als CMO den Bereich Marketing und brachte die Marke in 15 europäische Länder. 2016 gründeten sie mit Cherry Ventures einen der mittlerweile bedeutendsten Venture-Capital-Fonds in Europa. Die beiden WHU-Alumni wissen aus eigener Erfahrung, vor welchen Herausforderungen Start-ups stehen. Im Interview sprechen sie darüber, welche Start-ups sie für erfolgversprechend halten und wie sie den europäischen Markt einschätzen.

Oft sprechen wir in dieser Rubrik mit Gründerinnen und Gründern der WHU – aber ihr befindet euch mit eurer Venture-Capital-Firma Cherry Ventures sozusagen auf der anderen Seite: Euer Ziel ist es, spannende Start-ups groß und erfolgreich zu machen. Was hat euch dazu bewegt, diesen Weg zu gehen und einen VC zu gründen?

Filip Dames: Die Idee von Cherry Ventures ist und war, den Fonds zu bauen, den wir als Gründer gern an unserer Seite gehabt hätten. Ich habe 2008 mein erstes Start-up gegründet und bin damit direkt auf die Nase gefallen – aber es öffnete die Tür zu etwas Neuem: Zalando.

Einen Moment, bitte, da müssen wir kurz einhaken: Was ist damals passiert?

Ich habe direkt nach der WHU ein Marktplatz-Unternehmen gegründet – Tamundo. Wir haben damals versucht, Auktionen für Sammlerstücke, Kunst und Antiquitäten online zu bringen. Wir erhielten eine erste Finanzierungsrunde und organisierten eine Reihe spannender Auktionen – unter anderem war Michael Schumachers erstes Auto dabei. Doch wir mussten relativ bald feststellen, dass die Idee nicht „skaliert“, wie wir heute sagen würden (lacht).
Gleichzeitig war es die Möglichkeit für einen Neuanfang, und ich habe mich dann entschieden, bei Zalando einzusteigen. Die Firma stand damals noch am Anfang – ich habe dort unter anderem die Zalando-Lounge gegründet.

Christian kam dann 2010 nach seiner Zeit bei BCG als CMO dazu. Wir wurden immer häufiger von Gründerinnen und Gründern aus unserem Netzwerk um Tipps und Unterstützung gebeten – und uns wurde klar, dass wir hier eine wichtige Rolle übernehmen konnten. Damals gab es in der deutschen VC-Szene nur wenige große Player, wenig mutige Investor:innen und vor allem fast keine Unternehmer:innen, die selbst investierten. Bei Cherry sind 100 Prozent unserer Investor:innen ehemalige “Operator”, die sich im Tagesgeschäft von Start-ups auskennen. Deswegen haben wir ein weitreichendes Verständnis für die Perspektive der Gründenden und wissen, wie groß die Herausforderungen – aber auch die Chancen – sind, wenn man ein Unternehmen aufbaut. Wir unterstützen unsere Gründerinnen und Gründer in der Praxis, bieten individuelle Ratschläge und haben das Ziel, eine langfristige Partnerschaft aufzubauen, anstatt „nur“ Kapital zu investieren.

Wie können Start-ups und Gründer-Teams euch überzeugen, damit ihr in sie investiert?

Christian Meermann: Der Wettbewerb ist hart: Für Seed-Finanzierungen, auf die wir spezialisiert sind, bewerben sich jährlich 5.000 Start-ups. Davon kommen lediglich ein paar Hundert in die engere Auswahl – und letztlich erhalten nur etwa 12 bis 15 ein Cherry-Investment.

Worauf wir Wert legen, sind die Menschen – nicht Unternehmen oder Produkte. Wir suchen zum einen Visionär:innen – Menschen, die über Grenzen und Zeiträume hinaus ein Start-up aufbauen möchten und revolutionäre Technologien schaffen, die die Gesellschaft prägen und die Welt zum Besseren verändern können. Zum anderen braucht es neben der Vision den unermüdlichen Antrieb zum Erfolg, die operative Umsetzung und eine klare Idee vom „Weg zum Ziel“. 

Cherry möchte Europas erstes Billionen-Dollar-Unternehmen finanzieren – und wir wissen, dass das bedeutet, Gründende zu finden, die verstehen, dass große Ergebnisse auch große Risiken erfordern.

Man hat den Eindruck, dass sich die Europäer trotz hervorragender Gründungsteams und -ideen schwertun, auf dem internationalen Markt gegen die Konkurrenz aus den USA zu bestehen. Woran liegt das – und wie lässt sich das ändern?

Filip Dames: Ich halte nichts von der Untergangsstimmung rund um Europa. Wir haben mittlerweile Büros in Berlin, Stockholm und London – und somit Start-ups aus ganz Europa im Portfolio. Ich bin äußerst optimistisch, was die Zukunft der Tech-Branche in Europa angeht: Wir haben das Know-how, die Erfahrung, das Kapital, das Talent, die Forschung, die Vielfalt, die Tech-Hubs. Was uns wirklich noch fehlt, ist der globale Ehrgeiz – das gesamte Tech-Ökosystem muss größer denken. Das heißt aber auch: Wenn wir Europa wirklich zum besten Ort der Welt machen wollen, um ein Tech-Unternehmen aufzubauen, müssen sich in bestimmten Bereichen Dinge verändern – zum Beispiel bei der beruflichen Mobilität, den Kosten und Prozessen rund um die Unternehmensgründung oder der generellen Arbeitskultur. Wir sehen unsere Rolle mit Cherry auch darin, die Zusammenarbeit zwischen politischen Entscheidungsträger:innen, Unternehmer:innen, Forscher:innen und Investor:innen zu fördern, damit Europa die Chance hat, auf der globalen Bühne mitzuspielen und erfolgreich zu sein.

Was sind eurer Meinung nach die Branchen und Sektoren, die für Start-ups in Zukunft die größten Entwicklungschancen bieten?

Christian Meermann: Derzeit richtet sich natürlich alle Aufmerksamkeit auf KI. Allerdings liegt der Fokus in Europa eher auf der Anwendungsebene als auf Large Language Models. Aus unserem Portfolio sind hier zum Beispiel Firmen wie Black Forest Labs, Forgent, Aries, Telli oder Integral zu nennen. Wir stehen hier noch ganz am Anfang der Entwicklung, und es werden in den nächsten Jahren viele große AI-Firmen entstehen.
Angesichts des aktuellen geopolitischen Klimas bleiben Deeptech und Defense Tech im Fokus – und wir sehen spannende Innovationen in diesen Bereichen.

Die WHU verfügt über ihr eigenes, sehr erfolgreiches Entrepreneurship-Ökosystem. Wie nützlich ist ein solches Netzwerk, um die Erfolgschancen eines Start-ups zu verbessern?

Filip Dames: Ein Unternehmen aufzubauen ist nahezu unmöglich, wenn man es allein versucht. Ein Netzwerk wie das der WHU zu haben – auf das man beim Aufbau, bei der Suche nach Mitarbeitenden und Investoren oder einfach für einen guten Rat zurückgreifen kann – ist von unschätzbarem Wert. Es ist beeindruckend zu sehen, welche Erfolgsgeschichten aus der WHU hervorgegangen sind, und ich freue mich immer, von anderen Alumni zu hören, die etwas Spannendes aufbauen.

Christian Meermann: Das WHU-Netzwerk war eine enorme Hilfe, als wir Zalando aufgebaut haben – und auch zu Beginn von Cherry. Heute finde ich es großartig, dass es der nächsten Gründer:innen-Generation hilft, in Kontakt zu uns und anderen Investor:innen zu treten. Man weiß nie, auf wen man angewiesen ist, wenn man ein Unternehmen aufbaut. Umso schöner ist es, wenn sich dann über die WHU-Verbindung neue Möglichkeiten ergeben.

Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg.

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